Warum ich mich bewusst für die Arbeit mit Frauen entschieden habe
(und warum das nichts mit Männerhass zu tun hat)
Es gibt diese Momente, in denen mir wieder ganz klar wird, warum ich arbeite, wie ich arbeite.
Ich sitze konzentriert am Rechner, bearbeite Fotos, schreibe, schneide ein Reel, bin tief in einem empowernden Thema – und dann klingelt mein Handy.
Ich erschrecke kurz, weil es mich aus dem Flow reißt, aber gleichzeitig freue ich mich. Denn es könnte eine Frau sein, die den Mut gefasst hat, Kontakt aufzunehmen. Eine Frau, die etwas verändern will. Eine Frau, die gesehen werden möchte.
Ich gehe also ran.
Und höre Stöhnen.
Schwer, eindeutig, unangenehm.
Ein undeutliches „Steck ihn rein …“.
Ich lege auf. Sekunden später klingelt es wieder. Unterdrückte Nummer. Dieselbe Stimme. Und während ich äußerlich ruhig bleibe, fährt mein Körper komplett hoch. Alarm. Enge. Wachsamkeit. Der Rest des Tages ist nicht mehr derselbe. Diese Szene ist kein Einzelfall. Sie ist Teil meiner Realität als selbstständige Fotografin mit öffentlicher Telefonnummer.
Und sie ist einer der Gründe, warum ich heute sehr klar sagen kann:
Ich arbeite bewusst mit Frauen.
Warum das kein „Männerproblem“ ist – sondern ein strukturelles
Bevor ich weiterschreibe, ist mir eines wichtig:
Ich habe nichts gegen Männer. Ich bin sogar mit einem verheiratet.;-) Ich habe liebevolle, reflektierte männliche Freunde. Ich kenne Männer, die sich bei diesem Text genauso unwohl fühlen wie ich. Aber ich habe gelernt, zwischen persönlicher Sympathie und struktureller Realität zu unterscheiden.
Denn Fakt ist: Ich wurde in meinem Leben mehrfach telefonisch belästigt. Nicht einmal. Nicht zweimal. Sondern immer wieder. Schon als Teenager, später im Studium, dann als Fotografin.
Und Fakt ist auch:
Ich wurde noch nie von einer Frau auf diese Weise belästigt.
Wenn ich sage, dass ich mich mit fremden Männern in meinem Arbeitskontext oft unwohl fühle, dann ist das kein Angriff, sondern eine Erfahrung. Und eine Grenze.

Warum meine Entscheidung für Frauen kein Rückzug, sondern ein Schritt nach vorne ist
Lange dachte ich, ich müsse das aushalten. Professionell bleiben. Mich nicht so anstellen.
Heute weiß ich: Ich darf mir meine Arbeitsrealität bewusst gestalten.
Ich habe gemerkt, dass ich mit Frauen anders arbeite. Mit Frauen gibt es kein unterschwelliges Testen von Grenzen. Keine sexualisierte Spannung. Kein Gefühl von „Ich muss aufpassen“. Stattdessen gibt es: Vertrauen. Offenheit. Verbindung. Humor. Tiefe Gespräche. Transformation. Meine Arbeit lebt davon, dass Frauen sich öffnen können. Dass sie sich zeigen dürfen, ohne bewertet zu werden.
Dass sie nicht funktionieren müssen, sondern fühlen dürfen. Das braucht einen Raum, in dem Sicherheit selbstverständlich ist – nicht verhandelbar.
Die Männer-Erfahrungen erklären nicht meine Ablehnung – sie erklären meine Klarheit
Die sexuellen Anfragen, die belästigenden Anrufe, die Fetisch-Shootings, die mir als „Fotoprojekt“ verkauft werden wollen – all das ist nicht der Kern dieses Artikels, sondern der Hintergrund.
Der Kern ist: Ich habe mich entschieden, meine Energie nicht mehr dort zu investieren, wo ich mich schützen muss, sondern dort, wo ich wirken kann. Ich habe mich entschieden, Räume zu schaffen, in denen Frauen nicht erklären müssen, warum sie da sind. In denen sie nicht rechtfertigen müssen, dass sie etwas nur für sich tun. In denen sie sich nicht klein machen müssen.

Ich arbeite mit Frauen – aus Überzeugung und aus Liebe
Ich arbeite heute nicht mit Frauen, weil ich Männer meiden will, sondern weil ich mich ganz bewusst für Frauen entschieden habe.
Ja, zugegeben, ich fand die Arbeit mit Frauen schon immer spannender. Tiefer. Vielschichtiger. Emotional ehrlicher. Abwechslungsreicher.
Wo mich in meinen 20ern die glitzernde Oberfläche fasziniert hat, interessiert mich heute vor allem das, was darunter liegt – Identität, Wandel, Selbstbild, innere Kämpfe, leise Wünsche, verdrängte Sehnsüchte. Und genau da erlebe ich Frauen als unglaublich offen, mutig und bereit, sich wirklich einzulassen. Ja meine Bilder sind oft glamouröse Inszenierungen, sie funktionieren für mich aber nur, wenn der Mensch, den ich darauf in den Fokus setze, innerlich mitgeht und fühlt.
Ich habe in der Vergangenheit auch Männer fotografiert und ich sage niemals nie. Denn klar gabs da auch Shootings, die ich mochte. Aber rückblickend waren das fast immer Männer, die nicht der Norm entsprachen. Männer, die gespielt haben mit Identität, mit Styling, mit Rollen. Männer, die sich getraut haben, anders zu sein, weich, extravagant, sinnlich, auffällig. Männer, bei denen etwas gebrochen ist von dem klassischen „Günther-im-Hemd-vor-grauem-Hintergrund“-Bild.


Sobald ein Mann bereit war, sich zu zeigen, statt zu repräsentieren, sobald es nicht um Status, Leistung oder Dominanz ging, sondern um Ausdruck, wurde es für mich interessant. Und genau da schließt sich der Kreis. Denn das, was mich an diesen wenigen Männer-Shootings fasziniert hat, ist das, was ich bei Frauen fast immer finde:
Die Bereitschaft,
- sich wirklich zu spüren.
- sich neu zu entdecken.
- gesellschaftlichen Erwartungen stolz zu trotzen.
Meine Mission ist kein Ausschluss – sie ist eine klare Entscheidung
Ich arbeite mit Frauen, weil ich es liebe.
Weil ich darin aufgehe.
Weil ich sehe, was es bewirkt.
Weil ich es als meine Aufgabe sehe, Frauen Räume zu öffnen,
in denen sie nicht erklären müssen, warum sie da sind,
in denen sie nicht bewertet werden,
in denen sie nicht gefallen müssen,
sondern einfach selbstbestimmt sein dürfen.
Ich fotografiere Frauen nicht, um sie „schön zu machen“.
Ich fotografiere sie, damit sie sich selbst wieder wichtig nehmen.
Damit sie sich sehen wie sie es wollen und nicht wie andere sie sehen wollen.
Das ist keine Ablehnung von Männern.
Das ist eine bewusste Hinwendung zu Frauen.
Und sie fühlt sich genau richtig an.

